Kita: DRK-Kita „Turnstraße“
Ort: Elmshorn
Größe: 140 Kinder, 32 pädagogische Fachkräfte
Träger: DRK
Der fünfjährige Jonah und die anderen Kinder der „blauen Gruppe“ aus der DRK-Kita Turnstraße in Elmshorn zeigen stolz die Experimente, mit denen sie sich in diesem
Jahr zum Thema „Energie“ beschäftigt haben. Auf dem Tisch steht ein umfunktioniertes Aquarium, das sie am Straßenrand gefunden haben. Die kleinen Energie-Expertinnen und Experten haben darin
verschiedenes Obst, einen Teebeutel und gelbe Plastikkugeln in Erde vergraben. Die Erdbeeren von Anfang der Woche sind schon verschwunden, die gelben Plastikkugeln aber brauchen „100 Jahre“, sagt
das aufgeweckte Mädchen Selma.
Das „Verrottungsexperiment“ ist nur eines von vielen Beispielen, mit denen die Kita ihren 140 Kindern aus 20 Nationen Möglichkeiten eröffnen will, sich komplexen Themen wie Energie, Ernährung, Partizipation und Umwelt spielerisch zu nähern. Mit ihrer Kollegin Andrea Sunghka-Ngern betreut Susanne Harder die 15 Kinder der „blauen Gruppe“. Ihr ist das Thema Energie und Nachhaltigkeit sehr wichtig. Jeden Tag kommt die Mitte 50-Jährige mit dem Fahrrad zur Arbeit und engagiert sich neben ihrer Anstellung als Heilpädagogin auch politisch für Umwelt- und Naturschutz.
Energie zum Anfassen – auch wenn sie wehtut
Das Thema Energie im Kita-Alltag einzubauen sei „gar kein Problem“, sagt sie und deutet auf etliche Materialkisten zum Thema, die griffbereit im Schrank stehen. „Die Kinder lechzen quasi danach – und stecken auch die anderen Kita-Gruppen damit an.“ Zur Lernwerkstatt Klimaschutz, die Susanne Harder mit ihrer Gruppe Anfang des Jahres eingerichtet hat, kamen nicht nur Kinder aus dem Elementarbereich. Auch die unter Dreijährigen aus der Krippe konnten sich in Singkreisen oder Experimenten zum Anfassen mit dem Thema beschäftigen. Die Werkstatt bot dabei viel Raum, um eigene Ideen zu entwickeln, zu philosophieren und Fragen zu stellen.
Der Bewegungsraum wurde kurzerhand zur Experimentierstation umfunktioniert. Dort zeigt Jonah ein anderes Experiment, das ihn beeindruckt hat. Mit einem Stabthermometer misst er vorsichtig die Temperatur zweier Glühbirnen, die auf einem Holzsockel befestigt sind. Bei der Energiesparlampe steigt die Anzeige auf knapp 42 Grad, bei der herkömmlichen auf über 60 Grad Celsius. Kurz fasst er die weniger heiße Energiesparlampe an. „Autsch, auch schon heiß“, erschrickt er und zieht die Hand schnell wieder zurück. Auch wenn er sich an der vergleichsweise kühlen Energiesparlampe nicht wiklich verbrannt hat, ist Jonah klar geworden, dass die Energie einer Glühbirne nicht nur als Licht, sondern auch als Wärme abgestrahlt wird.
Im Vorraum ist auf einmal mächtig was los. Alle wollen auf dem „Energie-Erlebnis-Fahrrad“ strampeln und die angeschlossenen Lampen zum Leuchten bringen. Das Licht flackert unregelmäßig. Auch wenn sich der etwas schüchterne Lennard ganz schön ins Zeug legt, ist es gar nicht so einfach für ihn, kontinuierlich Strom zu erzeugen. Als er schlapp macht, müssen andere Kinder für ihn einspringen. „So wird ein Zusammenhang zwischen gebrauchter und produzierter Energie bei den Kindern hergestellt“, erklärt Susanne Harder.
Für nachhaltiges Konzept ausgezeichnet
Viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Team hätten zunächst gezögert, das Thema Nachhaltigkeit in die Bildungsarbeit zu integrieren, erzählt Monika Bötticher. Sie ist die Leiterin der Kita und hat die Erfahrung gemacht, dass gute Ideen oft zerredet werden. „Man muss ohne Leistungsdruck an die Sache herangehen und einfach mal ausprobieren“, empfiehlt sie. „Manchmal zeigen einem auch die Kinder den Weg auf.“
Neben der Auszeichnung als KITA21 ist die Kita bei einem bundesweiten Wettbewerb zum Thema Müllvermeidung mit ihrer Bildungsarbeit, der Aufführung von Theaterstücken, Ausflügen und einer offenen
Bildungsecke in der zentralen Halle unter die besten 15 Kitas in Deutschland gewählt worden. „Die Auszeichnungen sind nicht nur eine tolle Wertschätzung unserer intensiven Bemühungen um Bildung
für nachhaltige Entwicklung. Es ist auch inspirierend zu sehen, was andere Kitas so umsetzen“, ergänzt Susanne Harder.
Für Harder und Bötticher ist Nachhaltigkeit kein Thema unter vielen anderen, sondern eine Herzensangelegenheit. Die quirlige Leiterin Bötticher mit österreichischem Akzent ist auf einem kleinen Bauernhof in der Steiermark aufgewachsen. Mit acht Geschwistern ohne Fernseher und Waschmaschine hat die gelernte Erzieherin eine nachhaltige Lebensweise verinnerlicht. Und weil sie weiß, dass ein nachhaltiger Lebensstil funktioniert, hat sie auch vor dessen Umsetzung in ihrer Kita keine Angst.
Strom vom Dach – geht auch in Norddeutschland
Die Kinder der „blauen Gruppe“ sind mittlerweile an einer Wandtafel angelangt, die gegenüber dem Büro aufgehängt ist. Eine gelbe Sonne lacht die Kinder an, daneben sind viele Glühbirnen
angebracht, einige leuchten rot. „Wenn die Sonne ganz doll scheint“, erklären die Kinder, „leuchten sogar alle Lampen!“ Auf der 2008 angeschafften „Bürgersolaranlage“ lässt sich farbenfroh und
ohne komplizierte Erklärungen nachvollziehen, wie viel Energie die Photovoltaikanlage auf dem Dach erzeugt.
Wie in einem Flipperautomaten kullern dann kleine Kugeln vom oberen Bereich herab, bringen die Sonnenscheibe zum Drehen und landen in einem durchsichtigen Kasten. Sieben rote Kugeln liegen schon
dort. Sie zeigen, wie viel Strom die über 60 Solarpanels der Kita heute schon produziert haben: 98 Kilowattstunden oder 98 Waschgänge mit der Waschmaschine. Nicht schlecht für einen norddeutschen
Vormittag zu dieser Jahreszeit.
„Für die Zukunft brauchen wir kritische Kinder“
Als zuletzt das gruppeneigene Hoch-Beet im Garten der Kita in Augenschein genommen wird, in dem die Kinder im Sommer selbst angebautes Gemüse ernten konnten, unterbricht die fünfjährige Selma das
Gespräch: „Dürfen wir rutschen gehen?“ Sie verschwindet mit den anderen Kindern hinter einem Klettergerüst. Aufgeregt warten die Kinder in luftiger Höhe, bis sie an der Reihe sind. „Eigenenergie
und Fremdenergie“, kommentiert Susanne Harder vielsagend. Es ist eigentlich unmöglich, sich nicht auf die eine oder andere Weise mit dem Thema Energie zu beschäftigen. Denn auch Rutschen ist
Energie.
Neben einer geplanten energetischen Gebäudesanierung zur Einsparung von Heizkosten und der gerade umgesetzten Installation von Präsenzmeldern in allen Wasch- und Toilettenräumen, schmiedet die
Leiterin Bötticher bereits die nächsten Zukunftspläne. So will sie das Thema Ernährung im nächsten Jahr stärker in den Fokus der Einrichtung rücken. Ihr größter Wunsch für die Kinder der Kita
ist, dass diese später selbstbestimmt und ohne Angst durch das Leben gehen. „Für die Zukunft brauchen wir mutige und kritische Kinder, die Fragen stellen können, auch wenn sie den Erwachsenen
nicht immer passen.“